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Archiv DTKV Niedersachsen
Ausgabe November 2025
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PHANTASIE TRIFFT TECHNIK - KREATIVE WEGE ZUM KLANG
Braunschweiger Klavierseminar mit Prof. Ewa Kupiec
Vom 7. - 9. November 2025 fanden drei Veranstaltungen im Rahmen des diesjährigen Klavier Seminars statt. Der DTKV Braunschweig nutzte diesmal, nach der Schließung der Grotrian-Steinweg-Fabrik, die Räume der Landesmusikakademie in Wolfenbüttel.
Prof. Ewa Kupiec von der HMTM Hannover gab den Meisterkurs mit überregionalem Echo an aktiven Bewerbern, die Prof. Kupiec auf acht TeilnehmerInnen begrenzt hat. Zur Verfügung standen zwei Konzertflügel, der sonnendurchflutete Raum bot eine gute Akustik und viel Platz für Bewegung, denn Prof. Kupiec spielt nicht nur ganze Passagen auswendig aus den gearbeiteten Stücken vor, sondern vertanzte anschaulich mit den Händen gestikulierend die technischen und musikalischen Probleme der Werke. Ihre Leidenschaft für die Musik sprudelte aus ihr heraus und ihre Empathie nahm alle Anwesenden ein: Musik und Mensch wurden im Prozess des gemeinsamen Lernens und Entdeckens vereint.
Was verbirgt sich in den vier Sätzen von Bartóks Suite op.14? Welche Rolle spielt der Komponist für die Pianistin, welche Bedeutung haben Dynamik und Tempoangaben bei Bartók? Wie erreiche ich durch den „Swing“ des Handgelenks mehr Kraft in der Muskulatur der Hand? Auf all diese Fragenstellungen gab es eine ausführliche Antwort.
Eine wahre Entdeckung war die Sonate C-Dur op.40 Nr.2 von Clementi, deren Narrative Prof. Kupiec unter die Lupe nahm: Phrasierung, begleitende bzw. führende Rolle der Stimmen, Modulationen, musikalische Textur, Position und Haltung des Handgelenks. Dabei hörten sich Sätze wie „Die Musik niemals von der Technik trennen“ oder „Den technischen Bezug im Kontext des Stückes sehen“ und „Das Instrument spüren, körperlich wahrnehmen“ wie unumstößliche Regeln der Klavierkunst an. Zu jedem Stück gab es eine Referenz, ob das Pina Bausch mit ihren Bewegungsmustern war oder András Schiff mit seiner Technik der Analyse der linken Hand mit beiden Händen, um Klarheit im Stück zu gewinnen. So auch bei den zauberhaften Mazurken op.17 von Chopin, wo Kupiec das Tanzensemble „Mazowsze“ als Beispiel nannte, um den Polen Chopin besser verstehen zu können. Im Stück „Alborada del gracioso“ von Ravel ging es um den symphonischen Aspekt des Stückes, damit die Klangmasse nicht zum Lärmschwall wird: „Augen hier (Tastatur), Ohren dort (im Resonanzkasten)“. Ähnlich wird der erste Satz der 3. Sonate von Brahms aufgeräumt. Dazu gehören die Haltungstyps (Oberkörper-Beine-Lenden), der Umgang mit dem Klangspektrum des Stückes und den darin enthaltenen Emotionen. Auch der Kontakt zum Publikum wird in seiner Relevanz betont. Die Analyse der g-Moll Ballade von Chopin bewies, wie gut Prof. Kupiec die Musik von Chopin kennt und vermitteln kann. Die Bedeutung des polnischen Wortes „al“ bei Chopin ist genauso wichtig wie das richtige Rubato -atmen, als ob man Seifenblasen macht-, um dem Kaleidoskop der Emotionen bei Chopin gerecht zu werden. Bei Mozarts C-Dur Sonate KV 545 zeigte Prof. Kupiec wie man sich den Herz Puls zu Nutze macht, um Temposchwankungen zu vermeiden und am Beispiel von Mendelssohns Variations sérieuses, dass man vierhändig -Ellenbogen am Ellenbogen- üben kann, um den richtigen Puls im Stück zu finden und zu halten. Im Kopf hallen noch Sätze nach wie: „Nach Noten zu spielen ist wie die Google Navigation zu benutzen, wo das Denken abgeschaltet wird“. Das Publikum und die aktiven TeilnehmerInnen nahmen dankbar jeden Ratschlag an.
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| (Prof. Ewa Kupiec mit Kursteilnehmerin | Foto: Marie Awadis) |
Das Klavierseminar wurde umrahmt von zwei weiteren Veranstaltungen, die sich an die Basis der Musikkultur wandten, also an Kinder und alle, die gerne Musik machen. Mit „Hey, Beethoven! Aufnahme gefällig?“ konnten acht junge PianistInnen teils kostümiert als Engel oder Prinzessin mit einem Bären namens Beethoven ins Gespräch kommen und ausgewählte Klavierstücke als Videoclip von der Komponistin Marie Awadis aufnehmen zu lassen. Eine Matinee als Generationskonzert, an dem u.a. auch mal sechshändig von drei Generationen musiziert wurde, rundete die neue, dreitägige Veranstaltungsform des Klavierseminars erfolgreich ab. Dank Prof. Kupiec empathischer Art zu lehren werden nicht nur die angehenden PianistInnen sondern auch die Lehrenden eine nachhaltige Motivation und Begeisterung für die Arbeit an den Werken aus dem musikalischen Kosmos behalten, in dem sich Prof. Kupiec hervorragend auskennt. Was für ein Glückstreffer! Was für eine weibliche Power par excellence!
©Claudia Bigos
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| (Beethoven Bär und Klavierspielender Engel | Foto: Claudia Bigos) |
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