Neue Musikzeitung
Ausgabe April 2019

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Zum 100. Todestag von Claude Debussy: Ein Genie voller Widersprüche

Braunschweiger Klavierpodium mit Prof. Bernd Goetzke

Braunschweig. Wie jedes Jahr im Herbst findet in der Grotrian-Steinweg Klavierfabrik das Braunschweiger Klavierpodium statt. Die erstmals in der deutschen Übersetzung erschienenen Briefe des Komponisten Claude Debussy an seine Verleger wurden vom Prof. Bernd Goetzke herausgegeben und waren der Anlass für die diesjährige Einladung.
Debussy liefert seinerseits ebenfalls einen wichtigen Grund zur Huldigung: seinen 100 Todestag. Man kann einen Komponisten nicht nur aus der Perspektive seiner Korrespondenz beurteilen. Seine Musik, ihr Wesen, ihre Einzigartigkeit, ihre musikhistorische Einordnung und ihre Bedeutung wurden von dem Debussy-Kenner Goetzke an zahlreichen Beispielen exemplarisch erläutert.
Der Aufbau des Klavierkurses ähnelte dem Aufbau eines Stückes in der A-B-A-Form: Ein Block mit von Studenten und Schülern mitgebrachten Werken, dann die mit Spannung erwartete Buchpräsentation und wieder Debussys Stücke. Es irritierte ein wenig, warum in einem Debuss-Kurs zu Beginn 40 Minuten lang Beethovens Sonatine G-Dur und Chopins Prélude e-Moll ausgiebig bearbeitet wurden, wenn man gleichzeitig bedenkt, dass die weiteren 10 Teilnehmer nichts lieber täten, als darauf los zu spielen.
Man hatte aber die Chance, sich auf Prof. Goetzkes unglaublich beeindruckende Art einzulassen, musikalische Details aus dem Notentext in Bildern und Beispielen zu schildern, und etwas über seine Arbeitsweise zu erfahren. Vieles in der Musik ist allgemeingültig und immer wieder überraschend neu. Es kamen zur Sprache: Repetition als Vibration eines Klanges („die Klänge hängen an dem Ton wie ein Echo“), Tastengrund und Tastenoberfläche, Fingerpendel (Verbinden der Töne bei zerlegten Dreiklängen) – dieses wurde auch demonstriert-, der Begriff des Rubato und der goldene Schnitt eines Stückes (die mathematisch berechnete Mitte).
Dann folgten als Beispiele Stücke, in denen viele Debussy-spezifische Probleme stecken, die auf Prof. Goetzkes Lösung warten: Puerta del vino, Cathedrale engloutie, Etüde Nr.1, Bruyères, Estampes, Reflets dans l´eau, u.s.w.
Spielanweisungen des Komponisten zu lesen und zu befolgen ist Pflicht, sagt Prof. Goetzke. Ein schneller Pedalwechsel, ohne den Ton zu verlieren, ist sogar bis zu 50 Mal möglich. 1913 hat Debussy selbst 14 Stücke „ungeübt und ohne nachträgliche Korrektur“ zum Zweck eines Experiments und aus Geldnot aufgenommen. Die Fingersätze hat Debussy nie aufgeschrieben, die Akzente sind bei ihm wie „Störenfriede“, häufige crescendo-piano-Kontraste sind eine Gemeinsamkeit mit Beethoven und gar Schumann („dieses Trio hätte sich viel zu sagen gehabt“). Im Prélude „komponiert Debussy wie ein echter Debussy. Hier fand er seinen Weg in der musikalischen Verdichtung“. Debussy pflegte lebenslang geschäftliche und freundschaftliche Kontakte zu seinen sieben Verlegern und insbesondere zu Jacques Durand, dem er viele seiner Gedanken und Sorgen anvertraute. Das Konvolut umfasst 451 Briefe aus den Jahren 1872-1918 (Debussy begann bereits mit 10 Jahren zu korrespondieren), davon sind 340 Briefe an Durand. Debussy war sehr fleißig, immer von Geldsorgen geplagt und stand unter Druck, komponieren zu müssen (z.B. ein Stück im Tausch gegen einen Sack Kohle). Prof. Goetzke sprach von der „Wagner-Sackgasse“, die Debussy verlassen musste, um seinen eigenen musikalischen Weg zu finden. Er konnte alle Werke von Wagner spielen, schätzte insbesondere den „Tristan“. Er verehrte Bach am meisten, fand seine Wurzeln in der Nachfolge von Couperin und Rameau. Debussy war ein Autodidakt in allen Bereichen. An seiner Person haften damals wie heute viele Klischees. Er war sprachlich sehr kreativ: Wortspiele, Metaphern, Zitate zeichnen seine Texte aus. Er ist aber gleichzeitig in der Rechtschreibung oft unsicher. Er war ein mittelloses Kind, aber mit „aristokratischem Geschmack“. Nach 3 Jahren Klavierunterricht spielte er das 2. Klavierkonzert von Chopin, wollte aber partout kein Pianist werden. Er komponierte ohne Kompromisse, so wurde er „nicht immer fertig“, hinterließ einen großen Schuldenberg. Humor, Sarkasmus und Fatalismus und Leben in ständigen Konflikten gehörten zu seinem Wesen, seine „Widersprüchlichkeit war eine Konstante in seinem Leben“. Er schwebte zwischen Akribie in der Arbeit und totalen Schreibblockaden, war egoistisch und empathisch wie auch leitsinnig und besessen zugleich, fasst Prof. Goetzke erkenntnisreich zusammen. Falls Debussy tatsächlich das illegitime Kind seiner Tante sei, würde dieser Fakt seine charakterliche Zerrissenheit erklären, muss aber durch die weitere Forschung geklärt werden. Ein faszinierendes Komponistenportrait in Wort und Klang, präsentiert mit viel Charisma.

◾ Claudia Bigos (bica)



Prof. Bernd Goetzke mit einer Kursteilnehmerin - Foto: BiCa




Für einen kreativen musikalischen Ausdruck des Körpers

Workshop „Body Music- Musik mit Körper und Stimme“

Cuxhaven. Die Sängerin Ursula Fiedler vom DTKV-Bezirk Cuxhaven/Stade hat den Workshop „Body Music- Musik mit Körper und Stimme“ initiiert. Er findet am Samstag, 4. Mai 2019, von
10 Uhr bis18 Uhr im Hotel Forsthaus Dobrock, 21789 Wingst (Landkreis Cuxhaven), statt.
Dozentin ist Clara Wieblitz. Sie studierte Musik und Bewegungspädagogik an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien mit Schwerpunkt Latin Percussion und erforschte in Lateinamerika die Musik der Andenländer sowie brasilianische Rhythmen und Musikstile. Zusätzlich hat sie die Ausbildung zur Lehrerin der F.M.Alexander-Technik absolviert.
Clara Wieblitz ist in Deutschland und Österreich pädagogisch und künstlerisch tätig und hat sich fortwährend mit Body Percussion und dem kreativen musikalischen Ausdruck des Körpers beschäftigt.
Beim Workshop werden spielerisch die klanglichen Möglichkeiten des Körpers als universales Instrument erforscht. Die Stimme wird als natürliche Erweiterung von Rhythmus oder als Melodie zu den Körper-Rhythmen eingesetzt.
Der Workshop ist geeignet für alle Menschen ab 12 Jahren, die Freude an Rhythmus, Klang und Bewegung in einer Gruppe von 10 bis 18 Teilnehmer/innen mit wertschätzender Kommunikation haben.
Die Teilnahmegebühr einschließlich der Verpflegung durch das Forsthaus beträgt für Schüler/innen und Student/innen 40 Euro, für DTKV-Mitglieder 60 Euro und für weitere Interessierte 75 Euro.

◾ Gudula Senftleben
Informationen bei und Anmeldungen (bitte schriftlich bis zum 24.04.2019) an DTKV Cuxhaven/Stade, Gudula Senftleben, kug.senftleben@t-online.de.
Den Workshop-Flyer und weitere Informationen gibt es unter www.dtkv-niedersachsen.de.






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