Neue Musikzeitung
Ausgabe März 2017

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Musik von Komponistinnen und die Suche nach dem weiblichen Mozart

Braunschweiger Klavierpodium in der Grotrian-Steinweg Klavierfabrik

Braunschweig. Im November 2016 fand das Braunschweiger Klavierpodium in der Grotrian-Steinweg Klavierfabrik zum Thema „Die W- Saite. Weibliche Beiträge zur Musik“ statt. Das Thema war für den DTKV als Gastgeber ein Wagnis, das die Musikerkreise stark polarisierte. Viele Fragen standen im Raum, die Hoffnung auf handfeste Antworten war groß, die Suche nach Argumenten, um die weibliche Musik in der Musikwelt gleichberechtigt zu etablieren, mehr als notwendig.
Mit manchen Themen setzt man sich ungern auseinander. Mir erging das so mit dem Thema Komponistinnen. Man lässt Generationen von Schülern Werke spielen, ohne zu merken, dass darunter fast nie Komponistinnen sind. Man besitzt unzählige Aufnahmen ohne weibliche Beiträge und noch schlimmer: man vermisst nichts. Aber wie soll man etwas vermissen, wenn man es nicht kennt? Sätze wie „Musik von Komponistinnen braucht die Welt nicht“, „Solange es keine Komponistin von Beethovenformat gibt, werde ich keine im Recital spielen“, „Frauennamen in Konzertprogrammen sind für das Publikum und den Veranstalter nicht attraktiv genug“, grenzen an eine Provokation. Die meisten Musiker, weiblich wie männlich, kennen im Schnitt 3-4 Komponistinnen. Es gibt aber ca. 1800 vom Archiv „Frau und Musik“ in Frankfurt erfasste Komponistinnen aus 52 Nationen mit 28.000 Medieneinheiten, und die Welt schaut zu, wie ihre Werke im Archiv unter der dicken Staubschicht der Ignoranz verschwinden. Das war der Grund, warum ich dem DTKV das Thema vorschlug: neue Literatur für die Bühne und für den Unterricht kennenlernen, über die Ungerechtigkeiten in der Musikgeschichte aufklären, neue Kontakte vermitteln, zu neuen Programmen inspirieren, ermutigen, etwas an dem Zustand des Schweigens über die „weibliche“ Musik zu ändern.
Susanne Wosnitzka aus Augsburg repräsentierte das Archiv Frau und Musik in Frankfurt. Ihr Streifzug durch die Musikgeschichte mit Schwerpunkt auf Komponistinnen war mit so vielen spannenden Fakten gespickt, dass man aus dem Staunen nicht herauskam. Komponistinnen gab es, seitdem komponiert wird, also schon immer. Viele herausragende weibliche Persönlichkeiten in der Musikgeschichte werden vorgestellt, Fakten, Statistiken, Ungerechtigkeiten aufgezählt, die wir der jahrhundertelangen Vorherrschaft männlicher Musiker verdanken. Frauen wie Mascha Blankenburg oder Eva Weissweiler verdanken wir es, dass die Geschichte der komponierenden Frauen erfasst, aufgearbeitet und fortgesetzt wird, damit die Suchmaschinen unserer Zeit nicht nur beim Stichwort Komponist sondern auch bei Komponistin Treffer herausspucken.
Elisabeth Brendel, ebenfalls vom Archiv Frau und Musik zeigte, wie wichtig und vielseitig die Arbeit des ältesten und bedeutendsten internationalen Komponistinnen-Archivs ist, dessen Existenz immer wieder von Etatkürzungen bedroht ist und nur durch den Idealismus und die Ehrenarbeit der Mitarbeiter am Leben gehalten wird. Isolde Weiermüller-Backes gründete 2010 den Certosa-Verlag, um ausschließlich Werke von Komponistinnen zu veröffentlichen. Sie sprach von den musikalischen Schätzen der über 270 Komponistinnen, die in ihrem Verlag vertreten sind. Das mitgebrachte Notenmaterial war eine wahre Fundgrube. An Stelle von Frau Dr. Eva Weissweiler trat Frau Christa Nies aus Kassel mit einem Vortrag „entdeckt – aufgeführt - dokumentiert“. Ihre Buchdokumentation „Komponistinnen und ihr Werk“, sowie das internationale Komponistinnen-Festival „Vom Schweigen befreit“ lieferten viele spannende Fakten. Sie berichtete auch von Schwierigkeiten und Erfolgen ihrer langjährigen Tätigkeit für die „Neue Musik für Stimme“, die sehr viel Durchhaltevermögen abverlangen. Das Recital von Claudia Meinardus im Anschluss an das Klavierpodium mit Werken von Cécilie Chaminade, Johanna Senfter, Josephine Lang, Laura Netzel, Anna Teichmüller, Maria Szymanowska und Lili Boulanger zeigte die Vielfalt der Formen, die virtuose Anlage und starken Ausdrucksmöglichkeiten der Kompositionen, für die sich nicht nur die Pianistin begeisterte. Das Publikum hörte gebannt zu, es gab viel Neues und Wunderbares zu entdecken.
Einen weiblichen Mozart haben wir nicht gefunden. Wie denn auch? Es braucht Jahre, wenn nicht Jahrhunderte, bis Frauen, in dem Maße, wie es bis jetzt die männlichen Kollegen taten, ihre künstlerischen Möglichkeiten entfalten können. Und bis jetzt, das weiß jeder, gab es nur einmal einen Mozart. Zum Fazit des Klavierpodiums gehört also, dass wir eine bessere Vermarktung benötigen, mehr Möglichkeiten, die von Frauen komponierten großen Formen wie Orchesterwerke oder Opern aufzuführen, um eine selbstverständliche Gleichberechtigung auf der Bühne, im Konzertsaal und auf dem Programm der Festivals und der Wettbewerbe ohne Machtkampf der Geschlechter zu erreichen. Wenn wir in jedem Recital, in jedem Schülerkonzert, bei jedem Veranstalter ein Werk von einer Komponistin unterbringen, dann tragen wir dazu bei, dass sich mit dieser Entscheidung etwas an dieser ungerechten Haltung ändert. Komponistinnen vom Schweigen zu befreien, das ist jetzt unsere Aufgabe. Es lohnt sich und ist nur fair.
◾ Claudia Bigos (bica)

Die Dozentinnen Christel Nies, Elisabeth Brendel (v.l. stehend), Isolde Weiermüller-Backes und Susanne Wosnitzka (v.l. sitzend) - Foto BiCa




Über technische Möglichkeiten bei der Klangbearbeitung

Tonstudio Seminar vermittelt Möglichkeiten einer Studioausstattung und mehr

Braunschweig. In der Landesmusikakademie in Wolfenbüttel fand 2016 ein Tonstudio- Seminar für die DTKV Mitglieder und Interessierte statt. Welche Erwartung hatten die Teilnehmer an den Kurs? Die Antwort war bald klar und umfasste den Kursinhalt in einem Satz: alles, was man darüber lernen kann. Der Kursleiter Matthias Wegener nahm es gelassen. Dazu gehört eine Menge Basiswissen, was man leider nicht hat, aber gern erwerben will. Der Beruf eines Tontechnikers ist breit gefächert, die technische Entwicklung auf diesem medialen Gebiet ist rasant und zunehmend komplex. Wir legten erwartungsvoll los. Der Kurs wurde in Blöcke aufgeteilt: Organisation, Ausrüstung, Aufnahmebearbeitung. Zu jedem Punkt wurden viele Einzelheiten vermittelt, auch aktiv am Beispiel eines Konzertsaals in seiner akustisch-baulichen Beschaffenheit. Die Zeitreise am Beispiel der Entwicklung der Aufnahmegeräte war sehr spannend. Das Tonstudio wurde vorgestellt, seine Möglichkeiten, die Ausstattung und an einem Videoclip die möglichen tontechnischen Ticks demonstriert. Per Mausklick wurden die Regler bewegt. So ein riesiges Mischpult kennt man aus den Popkonzerten, jetzt kann man seine Tonmanipulationsmöglichkeiten aus erster Hand erleben. Am Beispiel einer Aufnahme auf dem Tonstudioflügel (Ben Schaper) konnten wir ganz konkret die technischen Möglichkeiten bei der Klangbearbeitung anwenden. Das war unglaublich spannend. Neben den vielen Fachtermini wie Mixing, Mastering, Diffusor, Frequenzbereicheinstellung, Filter, etc. kamen viele Informationen zu den Softwareprodukten, den unzähligen Typen von Mikrofonen und den Mikrofonierungsmethoden (Positionierung der Mikrofone bei der Aufnahme). Alle Teilnehmer bekamen einen Starter Pack von Cubase geschenkt. Die vielen Tipps, wie man so ein Programm sinnvoll benutzt, haben wir gemeinsam bereits erkundet. Wie geht es weiter? Es gibt eine große online Community und unzählige Youtube – Tutorials zu diesem Programm, denn das dicke Handbuch wird wohl niemand freiwillig lesen. Am Ende bleibt die Methode learning by doing und die kompetenten Netztutoren. Ein gelungener Lerntag in einer Welt, die, mit den im Gästetrakt untergebrachten syrischen Flüchtlingen und dem Mittelaltermarkt vor den Toren der Akademie, manchen wie eine Parallelwelt erscheinen mochte und allen Seiten sicherlich etwas bizzar vorkam.
◾ Claudia Bigos (bica)



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