Neue Musikzeitung
Ausgabe Mai 2016

[ zurück zum Jahrgang 2016 ]


Werke niedersächsischer Komponisten


Lüneburg. Anlässlich der 38. Internationalen Studienwoche für Zeitgenössische Musik Anfang Mai 2016 veranstaltet der Landesverband (LV) Niedersachsen des Deutschen Tonkünstlerverband (DTKV) sowie der LV Norddeutschland des Deutschen Komponistenverbandes emeinsam mit dem Fortbildungszentrum für Neue Musik Lüneburg ein Konzert zum Thema „Unsere niedersächsischen Komponisten stellen sich vor“. Am Donnerstag, 6. Mai 2016, ab 19 Uhr findet das Konzert im Glockenhaus, Glockenstraße 9, in Lüneburg statt. Damit wird eine wichtige Präsentation zeitgenössischer Musik und ihrer Komponisten fortgesetzt.
◾ Gunter Sokolowsky (gs)



Begegnung mit der „weiblichen“ Musik

Klaviermusik von Komponistinnen

Braunschweig. Wie viele Komponistinnen kennen Sie? Auf diese Frage bekam ich immer die gleiche Antwort: Clara Schumann, Fanny Hensel und… An dritter Stelle kam für gewöhnlich ein überraschender Name oder ein überraschtes Schweigen, je nach musikalischen Kenntnissen der Befragten.
Wir haben uns daran gewöhnt, dass Komponisten und Dirigenten immer männlich sind. Es hat sich bei den Konzertveranstaltern oder bei den Verantwortlichen für Wettbewerbe oder Festivals noch nicht herumgesprochen, dass es auch hörenswerte und anspruchsvolle Musik aus weiblicher Feder gibt. Sie ist oftmals wenig bekannt oder stellt ein Risiko dar, zum Publikumsfiasko zu werden. Sie ist wie eine Unbekannte auf einer Party, die niemand anzusprechen wagt. Der Versuch in der Praxis beweist aber das Gegenteil.
Zum Thema Musik von Komponistinnen kam ich auf Umwegen durch die Pianistin Claudia Meinardus, die in ihren Konzerten zum größten Teil Werke von Komponistinnen der Romantik aufführt. Nach einem ausverkauften Konzert in Braunschweig, das unglaublich positive Resonanz beim Publikum und in der Presse brachte, entstand die Idee, ein Schülerkonzert ausschließlich mit Werken von Komponistinnen aus allen Epochen, Stilen und in allen Altersgruppen meiner Klavierklasse zu veranstalten. Der Rahmen des Tastentaumel-Festivals im Braunschweiger Land und das einmalig schöne Ambiente der Jacob-Kemenate, des ältesten Gebäudes der Stadt, machte das Projekt perfekt.
Diese erste Begegnung mit der „weiblichen“ Musik kann man mit dem Gefühl der Liebe auf den ersten Blick vergleichen. Ich war geflasht, euphorisch, begab mich sofort auf die Notensuche. Im Hausarchiv gab es einen Sammelband vom Schott-Verlag: eine Schatzgrube. Dann bestellte ich einen großen Stapel von Noten bei den Verlagen Certosa und Furore, und die Suche nach dem maßgeschneiderten Stück begann. Ich fand viele unglaublich gute, musikalisch, technisch, wie formal interessante Stücke, die in ihrem pädagogischen Wert einen hohen Anspruch zeigten. Ich verteilte die Stücke an die Schülerinnen und Schüler, erklärte das Vorhaben, klärte die Eckdaten wie beim Bau eines Hauses mit der Angabe der Fertigstellung am 12. März 2016. Es gab keinen Widerstand. Ich versuchte möglichst abwechslungsreiche Stücke zu finden, die in der Kürze der Zeit machbar wären. Sie sollen kurz sein, begeistern und vor allem gelingen. Es kam, was kommen musste: manche lernten das Stück in 2 Wochen, andere wechselten es mehrfach, denn es war zu schwer, zu lang oder zu kompliziert. Das Alter der Stücke war von 1664 (Elisabeth Jacquet de Laguerre) bis 2016 (Komposition einer Schülerin), das Alter der Schüler zwischen 7 und 25 Jahren. Im Konzert war sogar die libanesisch-deutsche Komponistin Marie Awadis anwesend, deren Stück „November“ uraufgeführt wurde. Zu Gast war auch die Großnichte der Komponistin Anna Teichmüller (1861-1940). Das war etwas Besonderes für uns alle. Auch die Tatsache, dass die Zuhörer entlang der Wände standen und es viel fremdes Publikum gab, bestätigte mich in der Richtigkeit meiner Entscheidung. Diese Musik kann begeistern und findet sofort viele Fans. Den Schülern ist es egal, was sie spielen, solange die Musik ihre Herzen gewinnen kann. Dass dies möglich ist, zeigte das Konzert. Also muss die Musik von Komponistinnen nach all den Jahren der Verschwiegenheit ihre gleichberechtigte Stellung in der Musikgeschichte, wie in der Aufführungspraxis ohne Wenn und Aber bekommen. Diese Musik ist ein Schatz, der uns alle bereichert. Was für ein Glück, ihn gefunden zu haben!
◾ Claudia Bigos (bica)

Tastentaumel-Konzert in der Jacob-Kemenate Braunschweig. - Foto: bica




Faszinierende und anregende Vielfalt

Geiger Guido Eva spart sich die versprochene Runde

Oldenburg. Keiner ist ein Kulturbanause, nur weil er Johann Sebastian Bach nicht von Igor Strawinsky unterscheiden könnte, oder weil er die Komponistin Thekla Badarzewska-Baranowska nicht kennt. Und so sind auch die vielen Zuhörer in der Aula des Alten Gymnasiums nicht unkundige Laien zu nennen. Sie vermögen nämlich beim Konzert Oldenburger Musiklehrer ein musikalisches Suchspiel des Geigers Guido Eva nicht aufzulösen. Oder sie haben zu viel Insider-Wissen. “Einen auszugeben” verspricht der vielseitige Geiger und Pianist allen denen, die Themen herausfinden, die er in einer Improvisation versteckt hat. Eva kann sich die Runde sparen. Dass sich Themen aus Smetanas “Moldau”, aus “Star Wars” oder von Sting in seinem virtuosen Spiel gut versteckt haben, muss er am Ende selbst verraten. Evas musikalischer Spaß passt sich in eine bunte und bereichernde Vielfalt ein, die traditionell die Jahreskonzerte der Gruppe Nordwest im Deutschen Tonkünstlerverband (DTKV) auszeichnet. Da stehen nicht nur ein Klaviertriosatz von Beethoven (aus op. 1/3) ein Präludium von Bach (es-Moll aus dem Wohltemperierten Klavier) oder Piazzollas “Le Grand Tango” im Programm. Es ist etwa auch ein mitreißendes “Polnisches Capriccio” für Violine solo von Grazyna Bacewicz zu hören, oder der Satz “Traum” aus “Abgesänge auf eine Idee” von Friedemann Backens. Und am Ende zelebriert Jörg Sieglochs Ensemble Akkolade mit acht Akkordeons noch einmal Piazzolla. Ein Meister der verdichteten Form ist der weit über Oldenburg hinaus geschätzte Komponist und Pianist Christoph Keller. Sein “Präludium, Inventio und Choral” von 1996 steht packend dafür. Und weil er ein Gespür gerade für zerbrechliche Klänge hat, zeigt sich Keller als idealer Interpret von fünf fein ziselierten Sätzen unter dem Titel “Improvvisazione” von Lajos Papp. “Die habe ich zuletzt zu seinem 50. Geburtstag gespielt”, sagt Keller und schmunzelt. Das ist wirklich eine Weile her. Inzwischen ist Papp 80 geworden. Der anwesende Komponist heimst viel Beifall ein - und er wirkt noch ähnlich frisch wie seine Musik. Eine Verbeugung vor Kellers kompositorischer Vielfalt und Dichte macht auch Guido Eva. In seiner Rätsel-Improvisation hat er auch Anklänge an dessen “Reverie” versteckt. Kurz zuvor haben die Flötistin Irmgard Asimont und Keller dieses zurück- und vorausblickende Stück von 2001 vorgeführt. Der Komponist hat sich aber aus der Rätsel-Lösung ausgeklinkt: Zu viel Insider-Wissen eben... Neben Eva, Keller und Asimont sind auch Christian Hoting (Klavier), Nagako Kato Kübler (Cello) und Dorota Kölblinger (Violine), Norbert Körner (Cello) und Dorit Kohne im Einsatz. Als Lehrer könnten sie die Frage nach Frau Badarzewska-Baranowska natürlich aus dem Stegreif ebenso beantworten wie Heerscharen von Klavierschülern: Die Polin komponierte 1856 das Stück “Gebet einer Jungfrau”. Es wurde, auch in unzähligen Arrangements, über Jahrzehnte zum meistverkauften Hit in den Salons - und bis heute zum belächelten Ulk bei Musikschülern.
◾ Horst Hollmann (hoho)

Mit Freude und Spielwitz im Einsatz (von links): Guido Eva, Christian Hoting (auch Vorsitzender der Gruppe Nordwest), Dorota Kölblinger, Dorit Kohne, Christoph Keller, Irmgard Asimont.
Foto: Horst Hollmann



[ zurück zum Jahrgang 2016 ]

UNTERRICHT
Unterricht

Finden Sie hier
Anbieter für qualifizierten Musikunterricht.


Aktuelle Termine

siehe auch
Aus den Bezirken

Shabnam Parvaresh – eine Künstlerin aus Teheran in Osnabrück
mehr ...


Mentoring und Workshop
re:balance – Geschlechtergerechtigkeit in den Künsten
Bewerbungsfrist 14.4.2024

mehr ...


Sa., 20.04.2024 16 Uhr Benefizkonzert
für „Ärzte ohne Grenzen“

mehr ...


Neu: Ein Video
vom Neue-Musik-Netzwerk
KLANGPOL
Oldenburg / Bremen

hier: